Ella Lundner aus Bremen war fünf Jahre alt, als sie 1938 mit ihrer Familie nach Polen deportiert und später in Auschwitz ermordet wurde. Es ist ein Schicksal von hunderttausenden von Kindern, die während der nationalsozialistischen Herrschaft mit Zügen der Reichsbahn in den Tod gefahren wurden. Heute hat der "Zug der Erinnerung" mit seiner fahrenden Ausstellung am Bremer Hauptbahnhof Halt gemacht und an den Leidensweg der Mädchen und Jungen erinnert. Letzte Briefe, Fotos, ein kurzer Lebenslauf: In den Waggons werden die Namen und Gesichter der Kinder ins Gedächtnis gerufen. "Sie nicht in Vergessenheit geraten lassen - das ist es, was wir noch tun können", sagte Bürgermeister Jens Böhrnsen, der den Zug in Bremen begrüßte. Er übergab eine CD mit Dokumenten über deportierte Kinder aus Bremen sowie das "Erinnerungsbuch für die als Juden verfolgten Einwohner Bremens". Beides wird gemeinsam mit Fotos und Lebensberichten aus anderen Städten am Ende der Fahrt in Auschwitz hinterlegt.
Böhrnsen dankte den Initiatoren, die den "Zug der Erinnerung" auf seine Reise durch Deutschland geschickt haben. Bremen ist die 46. Station. "Ich habe großen Respekt davor, was der Verein mit dieser Erinnerungsfahrt leistet", so Böhrnsen. Kein Verständnis zeigte der Bürgermeister dafür, dass die Bahn dem Verein eine Gebühr für die Nutzung der Schienen und der Bahnhöfe in Rechnung stellt. "Das ist eine Schande", sagte Böhnrsen.
Die rollende Ausstellung war von Beginn an gut besucht. 21 Schulklassen hatten sich im Vorfeld angemeldet, aber viele Schülerinnen und Schüler hatten sich spontan zum Gleis 8 aufgemacht. Auch Zeitzeuge Ewald Hanstein, der 30 Familienangehörige während der nationalsozialistischen Diktatur verloren hatte, war zum Bahnhof gekommen. Er überreichte ein Buch mit seinen Lebenserinnerungen, das auch mit auf die weitere Erinnerungsreise gehen wird. Wie auch Elvira Noa, 1. Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Bremen und Raimund Gebelain (VVN) machte er deutlich, wie sehr ihn diese Ausstellung bewegte.
Zwischen Oktober 1940 und Dezember 1944 deportierten die NS-Behörden mehrere hunderttausend Kinder. Sie kamen aus jüdischen Familien, waren Sinti und Roma oder entstammten regimegegnerischen Familien. Die genaue Zahl ist noch unbekannt. Schätzungen sprechen von über einer Million, die in Zügen der Deutschen Reichsbahn systematisch in die Vernichtungslager deportiert wurden. In Auschwitz und in den anderen Lagern des NS-Regimes wurden sie ermordet. Nur wenige Kinder kehrten zurück. Fast sämtliche deutschen Bahngleise waren in das Deportationsgeschehen einbezogen. Die europaweite Logistik der Verschleppung und Vernichtung hätte ohne die Dienste der Reichsbahn nicht funktionieren können. Über tausende Kilometer wurden Deportationszüge in die Lager geschleust. Selbst unter Kriegsbedingungen setzten die NS-Behörden die Transporte fort - aus Griechenland oder Jugoslawien ebenso wie aus Norwegen und Frankreich.