Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Rund 30.000 Gäste kamen bei der diesjährigen Frühjahrsfahrt auf die Bahnhöfe in Nordrhein-Westfalen und besuchten die Ausstellung im "Zug der Erinnerung". (Fahrplan).
Dies berichten die pädagogischen Zugbegleiter, zu deren Aufgaben die Betreuung hunderter Schulklassen und zahlreicher Zeitzeugen gehörte. Für sie und für tausende Einzelbesucher war der Zug an insgesamt 30 Tagen von acht Uhr morgens bis in die Abendstunden geöffnet - oft bei starkem Andrang und langen Wartezeiten (Archiv).
Den anhaltend großen Zuspruch mit bisher insgesamt 420.000 BesucherInnen verdankt die Ausstellung unterschiedlichen Faktoren: Dazu gehören die öffentlichen Ausstellungsorte, die einem breiten Publikum nur geringfügige Hemmschwellen zumuten, vor allem aber die intensiven Vorarbeiten der örtlichen Bürgerinitiativen oder lokalen Koordinatoren (Spurensuche).
Auch auf der diesjährigen Frühjahrsfahrt lag es in erster Linie an diesen seit Jahren tätigen Gruppierungen, daß der NS-Opfer am Beispiel konkreter Einzelschicksale gedacht werden konnte: Deportierte aus Mönchengladbach oder Krefeld, aus Herzogenrath oder Aachen, deren kurze Lebensgeschichten das Mitgefühl der Besucher bewegt, weil die Opfer aus derselben Stadt kommen, in derselben Straße groß wurden und einen ähnlichen Lebenshorizont teilten.
Die Einladung zu der diesjährigen Frühjahrsfahrt kam vom Bistum Aachen - es übernahm erhebliche Teile der Finanzierung, seine Regionaldekane koordinierten den Gesamtablauf.
Die Zusammenarbeit verlief nicht nur organisatorisch sehr erfolgreich; auch die inhaltliche Übereinstimmung war groß, wie eine Rede von Ralf Zanders (Bistum Aachen) für das "Bündnis gegen Rechtsextremismus - für Demokratie und Toleranz" bei Ankunft des Zuges im Kreis Heinsberg zeigt. Wir bringen Auszüge:
"Die (Besucher im 'Zug der Erinnerung' setzen) ein Zeichen der Hoffnung für uns und für unsere ganze Gesellschaft. Sie sind ein Zeichen der Hoffnung, weil sie sich diese Stätte des Gedenkens, die wir hier vor uns sehen, zumuten.Weil sie sich auseinandersetzen wollen mit dem grausamsten Kapitel deutscher Geschichte: Der Deportation und Ermordung von über einer Million Kinder und Jugendlichen.
Sie muten sich die Erinnerung an eigene Kindheitserfahrungen während der NS-Zeit zu; sie muten sich auch die Frage nach dem Verhalten ihrer Großeltern und Eltern zu; und sie muten sich die nicht oberflächlich zu beantwortende Frage nach ihrem eigenen Verhalten in vergleichbaren Verhältnissen zu.
Besonders deutlich geworden ist mir die Zumutung, die diese fahrende Gedenkstätte darstellt, auf dem Hauptbahnhof in Mönchengladbach. Dort ging ein älterer Herr längere Zeit den Bahnsteig auf und ab.
Als ich ihn ansprach und ihm sagte, dass er als Einzelperson jederzeit in den Zug gehen könne, auch wenn angemeldete Schulklassen am Gleis stünden, erhielt ich zur Antwort: "Ich weiß. Aber ich kann noch nicht." Es dauerte noch eine ganze Weile bis dieser ältere Herr schließlich vor dem Waggoneinstieg den Rücken straffte und den ersten Schritt in die Ausstellung hinein gehen konnte.
Diese Zumutungen, denen sich Menschen jeglichen Alters aussetzen, machen Hoffnung für die Zukunft.
Solange wir uns erinnern wollen und die - auch aus dieser Stadt - deportierten Kinder und Jugendlichen nicht einer namenlosen Vergangenheit anheim geben, solange Schülerinnen und Schüler sich ansprechen lassen von dem Leid ihrer damaligen Altersgenossen, und solange einzelne sich aufmachen, in ihren Heimatorten Stolpersteinprojekte zu initiieren, solange dürfen wir hoffen, hoffen, dass auch in unserer Zeit Menschen wachsam bleiben gegenüber neuen rechtsextremen Tendenzen und Verharmlosungen.
Wir dürfen hoffen, dass hier (...) und in allen Städten und Dörfern des Kreises Heinsberg sich weiterhin Menschen im Bündnis gegen Rechtsextremismus für Demokratie und Toleranz zusammenfinden.
Dass sie sich zusammenfinden, um aktuellen faschistischen Bestrebungen Widerstand entgegen zu setzen. Somit wäre ein Ziel des Zuges der Erinnerung erreicht. Die Schaffung neuer beziehungsweise die Stärkung bestehender Netzwerke und Aktivitäten, die sich gegen alle die Menschenwürde verachtenden rechtsextremen Ideologien und Systeme wenden (...)
(Der 'Zug der Erinnerung') holt die Opfer aus einer unfassbaren anonymen Masse heraus, gibt ihnen Namen und Gesicht, und nach Jahrzehnten des Vergessens und Verdrängens ihre vom Naziregime entrissene Würde zurück.
Dabei, und ich zitiere Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff aus seiner Rede am 10. März im Hauptbahnhof Mönchengladbach und "dabei dürfen wir keinesfalls das Geschehene einem anonymen System zuschreiben. Menschen haben sich an Menschen versündigt: aktiv und sehr bewusst. Aber auch durch Wegschauen und durch Unterlassen, durch schweigende Zustimmung und durch Verdrängen. Sie haben die gottgegebene Würde eines jeden Menschen nicht beachtet oder sogar verneint." Zitat Ende
Wir vom Bündnis gegen Rechtsextremismus - für Demokratie und Toleranz sind froh hier im Kreis Heinsberg sehr große Unterstützung erfahren zu haben. Unterstützung bei dem Bemühen auch hier Raum zu schaffen für die Erinnerung an die deportierten Kinder und Jugendlichen. "