Trenul amintirilor - Поезд воспоминания - Pociąg pamięci - Train of commemoration - Zug der Erinnerung - Az emlékezés vonata - Vurdon so na bistrel nahles - o treno tis mnimis - To treno tis mnimis - Pociag pamieci - Train de la mémoire - Zuch vun der Erënnerung - Vlak uspome

Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

In Kooperation mit:



Wachsam sein!

 

Aus Landau, der ersten Station des Gedenkens in der Südpfalz, stammt der Rasseforscher Hermann Arnold. Er absolvierte das Humanistische Gymnasium in Landau und war hier bis 1974 Amtsarzt. Als Spezialist für "Zigeunerfragen" setzte er die Tradition seiner NS-Vorbilder aus der "Rassehygienischen Forschungsstelle" (RHF) in der Bundesrepublik fort. Von den RHF-Tätern (hier bei einer Schädelvermessung 1938) wurden Sinti und Roma selektiert. Die pseudowissenschaftlichen Maßnahmen bereiteten ihre spätere Ermordung vor.

Hermann Arnold war in der Nachkriegszeit ein gefragter Landauer Buchautor ("Die Zigeuner"), dessen rassistische Arbeiten vom Bundesinnenministerium gefördert wurden. Arnolds Thesen über die "genetischen" Grenzen der Bildungsfähigkeit bei "Zigeunerkindern" erinnern an Rassismen aktueller deutscher Bestsellerautoren.

Der "Zug der Erinnerung" wird bei seinem Aufenthalt in Landau auch der ermordeten und von Arnold erniedrigten Sinti und Roma gedenken.

Anläßlich des Fahrtbeginns durch die Südpfalz sprachen wir mit Gernot Stiwitz, Referatsleiter für historisch-politische Bildung und Demokratieerziehung im Mainzer Bildungsministerium.

Zug der Erinnerung (ZdE): Zum zweiten Mal fährt der "Zug der Erinnerung" durch die Pfalz - und zum zweiten Mal mit erheblicher Unterstützung des Mainzer Bildungsministeriums. Das ist nicht überall so. Hat Rheinland-Pfalz Prävention gegen NS-Wiedergänger besonders nötig - oder will das Land Vorreiter sein? 

Gernot Stiwitz: Rheinland-Pfalz ist ganz bestimmt im Ländervergleich keine Hochburg rechtsextremer Ideen und als Vorreiter im Sinne eines Musterschülers, der sich vordrängt, verstehen wir uns auch nicht. Wir halten allerdings Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus für dauerhaft notwendig und erachten den "Zug der Erinnerung" für einen wichtigen und sehr anschaulichen Beitrag zu dieser Präventionsarbeit. Daher hat unsere Ministerin nach dem großen Erfolg im Jahr 2009 entschieden, dass wir uns erneut zu engagieren.

ZdE: Die Ereignisse um den NSU-Terror haben viele Menschen aufgeschreckt. Warum gelingt es nicht, die NS-Aktivitäten einzudämmen? Werden in den Schulen die familiären Erzählungen ("Opa war kein Nazi") wirklich hinterfragt? 

Gernot Stiwitz: Es mag wie eine Plattitüde klingen, aber: Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist wirklich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe! Und das breite Engagement von Schulen, Kommunen, Verbänden und Initiativen und bei der jetzigen Pfalz-Tour des "Zugs der Erinnerung" zeigt ja, dass diese Aufgabe auch angenommen wird. Schule spielt in diesem Kontext sicherlich eine wichtige Rolle. Wir unterstützen in diesem Bereich die unterschiedlichsten Aktivitäten mit erheblichen Mitteln und wir setzen den schulgesetzlichen Auftrag, Schülerinnen und Schüler zu Demokraten zu erziehen, ganz nach oben. So haben wir beispielsweise die Überarbeitung der  Lehrpläne der gemeinschaftskundlichen Fächer in der Sekundarstufe I angestoßen und die zuständige fachdidaktische Kommission gebeten, dabei die Demokratieerziehung als gemeinschaftliche Aufgabe der verschiedenen Fächer in den Mittelpunkt zu stellen.  

Dieses Foto zeigt die zehnjährige Schülerin Barbara M. aus Frankfurt a.M., die 1938 einer "rassebiologischen Erfassung" unterzogen wurde.
 
 

ZdE: Vor dem Hintergrund der millionenfachen Teilhabe an den NS-Verbrechen wirken viele Gedenktagsreden  floskelhaft und abstrakt. Viele Bürgerinitiativen beklagen das Erstarren der sogenannten deutschen Gedenkkultur. Ist es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen?
Gernot Stiwitz: Das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus, an ihr Leiden und an das menschenverachtende System von Tod und Hass ist und bleibt aktuell. Das gilt auch für das stetige Fragen, wie es dazu kommen konnte und warum so viele Menschen die Augen verschlossen oder sich gar beteiligt haben. Die Lehren, die wir aus den Geschehnissen der Vergangenheit ziehen müssen, ist: Wir müssen schon gegenüber ersten Ansätzen von Hass, Feindschaft und Fanatismus wachsam sein und dem Toleranz, Zivilcourage und demokratisches Engagement entgegensetzen. Das ist auch der Ansatz der Demokratieerziehung in den Schulen des Landes.  
Gerade in einer Zeit, in der der unmittelbare Zugang zu der Zeit des Nationalsozialismus über Zeitzeugen immer schwieriger wird, ist die Gedenkarbeit von großer Bedeutung. Gedenkstätten sind gewissermaßen die „Zeugen nach den Zeugen“ und ganz spezifische Lernorte voller Chancen.

ZdE: Heißt das, daß die antirassistischen Initiativen Anspruch auf mehr finanzielle Unterstützung haben? Und was würden Sie den Verantwortlichen zurufen, die von Initiativen wie dem "Zug der Erinnerung" Gebühren für das Gedenken verlangen?

Gernot Stiwitz: Ich würde es begrüßen, wenn der "Zug der Erinnerung" noch mehr Menschen erreichen und sozusagen auf „freie Fahrt“  gehen könnte. Für unser Haus kann ich feststellen, dass wir Gedenkarbeit, wie sie beispielsweise und zudem ganz hervorragend durch den "Zug der Erinnerung" geleistet wird, immer wieder unterstützt haben und weiter unterstützen werden.