Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Über ihre Recherchen nach dieser Frau, die von einem Mitglied der NS-Propagandastaffeln bei den Deportationen in Ioannina fotografiert wurde, schreibt M. H. Ikonomopoulos:
Vom ersten Augenblick, als ich dieses Foto sah, drängte es mich herausfinden, wer sie war. Es dauerte Jahre. Jetzt ist die Reise vorbei. Die "weinende Frau" ist identifiziert und ihre Geschichte wirft in vielerlei Hinsicht Licht auf das Schicksal der griechischen Juden.
Bevor ich ihre Identität offenbare und für alle, die es vielleicht nicht wissen: 87 Prozent der griechischen Juden sind während des Holocaust umgekommen und für 91 Prozent in dem kleinen Ort Ioannina, eine der ältesten jüdischen Gemeinden in Griechenland, war Auschwitz-Birkenau die Endstation ihres Lebens. Bei ihrer Ankunft an einem kalten Märzmorgen 1944 in Polen wurden sie in das KZ getrieben und am 11.April ging ihr Weg direkt in die Gaskammern.(...)
Gehörte die "weinende Frau" zu den 1850 (der 2.000 Juden aus Ioannina), die in den Lagern umgebracht wurden? Oder überlebte sie? (...)
Fani Haim (Svolis), die Tochter von Firo Haim und Avraam ben Isaak Haim, überlebte die Lager. Fani war1925 geboren worden und das Foto vom 25. März 1944 an der Mole von Ioannina zeigt ein verzweifeltes, von ihrer Familie getrenntes 19jähriges Mädchen. Als einzige ihrer unmittelbaren Angehörigen entkam sie dem Tod in den Lagern. Die 76jährige verwitwete Großmutter Fani (ihre Namensgeberin), ihr 39jähriger Vater Avraam (ein Lehrer), ihre 36jährige Mutter (Tochter von Avraam Matsil), ihre jüngere Schwester Reveka (18 Jahre alt), und ihre zwei jüngeren Brüder Isaac (15), und Haim (12), wurden von den Nazis ermordet. Die vollständige Geschichte von Fani kennen wir nicht. Sie starb 2008 im Alter von 83 Jahren.
Fani hat (nach der Befreiung) einen griechisch-orthodoxen Christen geheiratet und durfte das Glück erfahren, Großmutter zu werden. Ihre Enklelin Lia, die in Athen lebt, wusste seit ihrer Kindheit, dass Fani in den Lagern gewesen war – die eintätowierten Nummern auf ihrem Arm ließen die Grausamkeiten erahnen, durch sie gegangen war. Lia erzählt, dass ihre Großmutter ihre jüdische Herkunft nie verheimlichte, aber wenig über ihr früheres Leben in Ioannina erzählte. Die Erinnerungen waren vielleicht zu schmerzhaft (...)
Das Foto wurde für viele zu einem Symbol für die unbeschreiblichen Verluste der griechischen Juden im Holocaust. Darüber selbst zu sprechen, mag Fani außerstande gewesen sein, aber ihr Bild erzählt davon und es spricht für sie, ohne Worte.
Marcia Haddad Ikonomopoulos leitet das Museum der kleinen New Yorker Gemeinde Kehila Kedosha Janina.
Deportation durch die Deutsche Wehrmacht: Mit Lastwagen zum nächsten Bahnanschluss nach Auschwitz. Die Bundesregierung weigert sich, den Opfern die erpressten Fahrtkosten in den Tod zurückzuzahlen.